Die Biodiversität, also die Vielfalt des Lebens auf der Erde, ist in einer beispiellosen Krise. Jeden Tag verschwinden Arten, und Wissenschaftler*innen schätzen, dass wir uns mitten im sechsten Massenaussterben1 befinden. Laut einem Bericht des Weltbiodiversitätsrats sind weltweit rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Das heutige Artensterben verläuft bis zu 100 Mal schneller als in der gesamten Menschheitsgeschichte. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang von Insekten, deren Biomasse in einigen Regionen um bis zu 75 % zurückgegangen ist – mit verheerenden Auswirkungen auf die Bestäubung von Pflanzen und die Gesundheit unserer Ökosysteme.
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Doch warum ist das so wichtig? Biodiversität ist nicht nur ein abstraktes Konzept. Sie ist die Grundlage für stabile Ökosysteme, sauberes Wasser, fruchtbare Böden und die Luft, die wir atmen. Sie ist der Motor des Lebens auf der Erde, und ihr Verlust bedroht unsere Gesundheit, unsere Nahrungsmittelsicherheit und letztlich unser Überleben. Anders ausgedrückt: Jede Art, die ausstirbt, ist eine zu viel.
More than 45,300 species are threatened with extinction. That is still 28% of all assessed species 2
Die Rolle der intensiven, industriellen Landwirtschaft
Einer der größten Treiber dieses Artensterbens ist die intensive, industrielle Landwirtschaft. Diese Form der Landwirtschaft setzt auf Monokulturen und chemische Pestizide, die die Böden auslaugen, die Artenvielfalt zerstören und den natürlichen Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen vernichten. Wenn weite Flächen nur für den Anbau einer einzigen Pflanze genutzt werden, fehlen dort die vielfältigen Lebensräume, die Artenvielfalt fördern. Zudem tragen die riesigen Mengen an Dünger und Pestiziden zur Verschmutzung von Böden und Gewässern bei, was ebenfalls das Überleben vieler Organismen bedroht. Auf diese Weise versorgt uns die Landwirtschaft zwar mit Nahrungsmitteln, aber zu einem hohen Preis für die Umwelt.
Naturnahe Landwirtschaft: komplexe Agroforst als Schlüssel zu einer blühenden Artenvielfalt
Eine vielversprechende Alternative zur industriellen Landwirtschaft sind komplexe Agroforstsysteme. Agroforstwirtschaft integriert mehrjährige Gehölze wie Bäume, Sträucher und andere Pflanzen in landwirtschaftliche Systeme. Insbesondere in ihrer komplexen Form, wie es bei Food Forests (auch Waldgärten genannt) der Fall ist, imitiert dies die natürliche Struktur eines Waldes und schafft ein vielschichtiges, biodiverses Ökosystem. Durch die Einbindung von Bäumen wird der Boden geschützt, die Wasserspeicherung verbessert und die CO₂-Bindung erhöht, was den Klimawandel abmildern kann. In diesem Sinne: Food Forests sind ein multifunktionales Lösungstool!
Komplexe Agroforstsysteme bieten nicht nur ein vielfältiges Angebot an Früchten, Nüssen und anderen Nahrungsmitteln, sondern schaffen auch wertvolle Lebensräume für Tiere, Insekten und Mikroorganismen. Diese Systeme sind nicht nur widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterereignissen, sie verbessern auch die Bodenfruchtbarkeit und verhindern Erosion. Sie fördern die Artenvielfalt, weil sie ein Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und natürlichem Ökosystem herstellen.
Der Unterschied zwischen Biodiversitätskrise und Klimawandel
Oft wird der Fokus stark auf den Klimawandel gelegt, und das aus gutem Grund: Die Erwärmung des Planeten, verursacht durch die Freisetzung von Treibhausgasen, bedroht Millionen von Menschen und die globale Stabilität. Der Verlust der Biodiversität ist aber mindestens ebenso dringlich und eng mit dem Klimawandel verbunden, wird aber oft unterschätzt. Während der Klimawandel unsere Zukunft stark beeinflusst, ist der Verlust der Biodiversität etwas, das hier und jetzt massive Auswirkungen hat. Ohne Biodiversität geraten ganze Ökosysteme ins Wanken, was unsere Nahrungsmittelproduktion und die Qualität von Wasser und Luft bedroht.
Warum Biodiversität für unsere Gesundheit wichtig ist
Biodiversität ist nicht nur ein Thema für Naturliebhaber oder Umweltschützer – sie geht uns alle an. Wissenschaftler*innen warnen, dass der Verlust von Arten direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Beispielsweise können sich Krankheiten wie Malaria oder Lyme-Borreliose stärker ausbreiten, wenn die natürlichen Feinde der Krankheitsüberträger verschwinden. Gesunde Ökosysteme hingegen bieten uns sauberes Wasser, fruchtbare Böden und sichere Nahrungsmittel. Ohne die Balance, die eine reiche Artenvielfalt bietet, gerät unser gesamtes Leben aus dem Gleichgewicht.
Fazit: Die Lösung liegt im Wandel!
Die Biodiversitätskrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, aber wir können sie noch bewältigen. Eine Transformation unserer gegenwärtigen Form der Landwirtschaft hin zu nachhaltigen, aufbauenden Systemen inklusive Agroforstwirtschaft und Food Forests, bietet einen vielversprechenden Weg, die Zerstörung der Natur zu stoppen und gleichzeitig eine gesunde Nahrungsmittelproduktion zu sichern.
1 Das sechste Massenaussterben ist ein Begriff, den Wissenschaftler verwenden, um den aktuellen, beschleunigten Verlust von Arten auf der Erde zu beschreiben. In der Erdgeschichte gab es fünf Massenaussterben, bei denen jeweils ein großer Teil der Lebewesen ausgelöscht wurde. Das bekannteste Beispiel ist das Aussterben der Dinosaurier vor etwa 66 Millionen Jahren, vermutlich durch einen Asteroideneinschlag
2 Quelle: International Union for Conservation of Nature (IUCN) Link to: https://www.iucnredlist.org/